Nach 13 Monaten geht Ende August die testweise Sperrung des Mainkais zu Ende. Von vielen Seiten kommen Rufe nach einer Verlängerung. Warum diese aus seiner Sicht rechtlich unzulässig ist, und nicht nur sie, erklärt der frühere, langjährige Leiter des städtischen Straßenverkehrsamts, Ulrich Schöttler, im Interview mit Redakteur Dennis Pfeiffer-Goldmann.
Wie gefällt Ihnen denn der Mainkai ohne Autos, Herr Schöttler?
Der Mainkai ohne Autos gefällt mir eigentlich recht gut. Es ist sehr angenehm, dass man vom Römerberg direkt runter an den Main laufen kann.
Wie beurteilen Sie die Folgen für die umliegenden Straßen und deren Bewohner?
Das Problem, das ich sehe, ist, dass man sich seitens der Politik über Gesetze und Richtlinien hinwegsetzt, dass man Fachmeinungen nicht hören will und einfach Dinge umsetzt, ohne den rechtlichen Hintergrund zu beachten.
Wie meinen Sie das?
Natürlich kann man eine Straße entsprechend dem Straßengesetz ent- oder umwidmen, zum Beispiel um eine Fußgängerzone einzurichten. Dafür ist aber erneut ein öffentliches Verfahren notwendig, alle Anlieger werden beteiligt, alle Betroffenen können sich äußern. Das ist ein Riesenverfahren, das dauert auch, aber es ist der richtige Weg, um eine solche Veränderung einer Straße vorzunehmen.
Umgewidmet wurde der Mainkai aber nicht.
Man hat ein anderes Gesetz genutzt, das Straßenverkehrsgesetz. Damit kann die Straßenverkehrsbehörde, in der ich 39 Jahre lang gearbeitet habe, den Verkehr auf gewidmeten Straßen regeln. Auch gewisse Sperrungen sind möglich, zum Beispiel bei Baustellen oder Veranstaltungen wie dem Mainfest. Die Behörde kann den Verkehr auch beschränken oder sperren, wenn aus Umweltschutzgründen zum Beispiel wegen Lärms dringender Handlungsbedarf besteht.
Diese Gründe liegen am Mainkai aber alle nicht vor.
Nein. Es gibt keine Baustelle, es gibt keine Veranstaltung, es gibt keine Lärmmessungen, die sind nicht geschehen. Man hat nun einen Paragrafen der Straßenverkehrsordnung herbeigezogen, der Verkehrsversuche ermöglicht. Das geht aber nur, um Forschung zu betreiben. Das haben wir schon gemacht, zum Beispiel um das Radfahren gegen die Einbahnstraße mit wissenschaftlicher Begleitung zu untersuchen. Das hat dazu geführt, dass die Straßenverkehrsordnung geändert wurde und das Radfahren gegen die Einbahnstraße heute überall möglich und üblich ist. So etwas versteht die Straßenverkehrsordnung unter Verkehrsversuch, aber nicht, eine Straße aus Jux und Dollerei zu sperren, um zu schauen, wo der Verkehr bleibt. Das ist nach Straßenverkehrsrecht überhaupt nicht zulässig.
Die Stadt hat Verkehrszählungen gemacht, die Corona-Pandemie hat aber die Vergleichszählung unbrauchbar gemacht. War das eine ausreichende wissenschaftliche Begleitung?
Nein, denn es gibt keinen Grund, auf dem Mainkai einen Verkehrsversuch zu machen. Es gibt keine Unfälle, es gibt keine Lärmproblematik. Das als Verkehrsversuch zu deklarieren, ist völlig falsch. Eine Straße zu sperren, ohne dass es eine Veranlassung gibt, ist der zweite, gravierende rechtliche Fehler - der wahrscheinlich ganz bewusst gemacht wurde.
Wieso wurde der gemacht?
Da werden Fachbehörden vergewaltigt, da wird das Gesetz vergewaltigt, da wird aus politischen Gründen etwas umgesetzt, was weder Hand noch Fuß hat.
Was haben Sie 2009 bei der Sperrung der Hauptwache denn anders gemacht?
Wir haben ganz formal ein öffentliches Umwidmungsverfahren durchgeführt. Wir haben natürlich Berechnungen gemacht, wie viel Verkehr dadurch zusätzlich auf die U- und S-Bahn verlagert wird und in andere Straßen. Wir haben in der Folge zum Beispiel 20 Ampeln umgerüstet und an die neue Verkehrssituation angepasst, die Einbahnstraße in der Biebergasse gedreht und an der Berliner Straße einen Linksabbieger eingerichtet. Dieses Verfahren wurde genau nach Recht und Gesetz durchgeführt. Das hat man jetzt absolut anders gemacht.
Den ganzen Ärger für die Anwohner beispielsweise in Sachsenhausen hätte man sich mit einem ordentlichen Verfahren sparen können?
Genau. Wenn jemand geklagt hätte, leider gab es wohl niemanden, wäre der Mainkai sofort wieder aufgemacht worden. Denn rechtlich ist das alles völlig falschgemacht worden. Das langwierige Verfahren der Umwidmung hätte man angehen müssen. Dafür braucht man erstmal eine Untersuchung, was überhaupt passiert mit dem Verkehr, der dort fährt. Die Verkehrsplaner der Stadt wissen, wer auf dieser Straße fährt, und können berechnen, wie sich der Verkehr ändert und was dafür alles angepasst werden muss.
Aber ein solches Verfahren dauert schon recht lange.
Das dauert vielleicht zwei Jahre, man ist auch einem Haufen Kritik ausgesetzt, zum Beispiel von den Fuhrunternehmern, die die Straße brauchen. Solche Dinge muss man politisch aushalten, eine Lösung finden, auch etwas umbauen. Das ist aber alles nicht geschehen. Es wurde einfach eine Straße gesperrt und mal geschaut, was passiert. Das kann es doch nicht sein.
Wäre denn nun noch eine Verlängerung des Versuchs rechtlich möglich?
Nein, so wenig wie die Sperrung überhaupt. Man müsste ein Umwidmungsverfahren beginnen.
August 22, 2020 at 02:01AM
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"Gravierende rechtliche Fehler gemacht" - fnp.de
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Sehr angenehm
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